Fünf einsame Stunden
Da hatte ich mir was vorgenommen. Den Rest der Schlucht alleine erkunden. Wieso habe ich das vorgeschlagen? Im günstigsten Fall hatte ich mich nur durch meterhohen Schnee zu kämpfen, and den ungünstigsten Fall wagte ich gar nicht zu denken. Aber gut. Ich hatte es so gewollt und den Anfang meiner Reise hatte ich auch alleine begonnen. Es würde schon gut gehen. Wichtig war aber eine gute Vorbereitung. Deshalb nahm ich mir die Zeit um den ein oder anderen Zauber nochmal zu überdenken. Dann verabschiedete ich mich von meinen Kameraden und machte mich, nur begleitet von Rozi, auf den Weg weiter in die Schlucht hinein. Rozi kam erstaunlich gut zurecht im hohen Schnee und war mir tatsächlich eine nicht mehr wegzudenkende Gefährtin geworden. Manchmal war es schwierig sie aus den Kämpfen herauszuhalten, aber ich konnte nicht riskieren, dass ihr etwas passiert. Auch jetzt gab sie mir mit ihren scharfen Sinnen ein Gefühl der Sicherheit. An die zwei Stunden kämpfte ich mich durch den Schnee nach Norden. Dann verengte sich der Pfad weiter und ich hatte den Eindruck Spuren zu sehen. Spurenlesen ist nun wirklich nicht mein Metier. Natürlich bin ich naturnah aufgewachsen und ich kenne prinzipiell die Fährten von kleineren Waldtieren. Aber das hier war mehr eine Ahnung als eine richtige Spur. Sicherheitshalber wirkte ich einen Unsichtbarkeitszauber auf mich und ging noch vorsichtiger weiter. Ich gab mir maximal noch eine halbe Stunde, dann würde ich wieder umkehren. Nach ungefähr zwanzig Minuten hörte ich dann Stimmen. Zuerst dachte ich es sei eine mir unbekannte Sprache, aber als ich kurze Zeit später die zwei Sprecher erblickte, verstand ich plötzlich. Es waren Zwerge, die einen extrem starken Dialekt sprachen. Anscheinend waren sie auch nicht mehr ganz nüchtern. Den Dialog aus Belanglosigkeiten und Beleidungen, der sich mir dann bot, möchte ich hier nicht wiederholen. Die Zwerge machten auf mich jedenfalls keinen besonders gefährlichen Eindruck und sie schienen auch keine Späher oder ähnliches zu sein. Ich beschloß sie zu ignorieren und machte mich auf zurück zur Höhle bevor sie mich vielleicht doch bemerkten. Auch der Rückweg war ereignislos. Zum Glück. Die anderen hatten das Yetifell vor den Höhleneingang gehängt und sich in der Höhle eine halbwegs angenehme Atmosphäre geschaffen. Wenn man von dem unerträglichen Gestank einmal absah. Ungefähr zwei Stunden nach Sonnenaufgang machte ich mich mit Zwerg auf den Weg zurück ins Lager. V und V benötigten noch jede Ruhe, die sie bekommen konnten.
Aber auf das was uns da erwartete waren wir in keinster Weise vorbereitet. Das Lager, so wie wir es verlassen hatten existierte nicht mehr. Was da vor uns lag war ein Schlachtfeld. Im wahrsten Sinne des Wortes. Durchwühlter Schnee, vermischt mit Erde, Steinen und Blut und mitten drin ein hoffentlich toter Lindwurm. Es war unbeschreiblich. Gegen das was hier passiert zu sein schien, war unser Kampf auf Leben und Tod mit dem Yeti ein Kaffeekränzchen. Es konnte keine Überlebenden geben. Anderseits war der Wurm tot und von unseren Gefährten war nichts zu sehen. Dann sahen wir die Pferde, relativ ruhig etwas abseits von unseres ehemaligen Lagers und dann auch die Anderen. Bis auf S’henice schienen alle einigermaßen schwer verletzt zu sein. Wir eilten sofort zum neuen provisorischen Lager. Adalbert, Avamys, Cart und Jacques ließen sich von S’henice pflegen. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Den aufgeregten, wenn auch nicht ganz flüssig erzählten Berichten zu Folge brachen irgendwann nachts zwei der Würmer aus dem Schnee. Merkwürdige Art des Angriffs für ein Wesen der Lüfte, aber vielleicht machte das die Kälte. Auf Dauer konnte es nicht gesund sein hier zu leben. Jedenfalls griffen die Würmer unsere überraschten und müden Gefährten an. Diese, erstmal alarmiert, rafften sich schnell und lieferten den Würmern einen heißen Kampf. Der eine floh um sein Leben zu retten, der andere liegt noch hier. Zwei Würmer? Ja, ja. Wir haben auch gegen vier Yetis gekämpft, drei haben sich vor lauter Angst aber gar nicht erst gezeigt. Adalbert hat es ganz böse erwischt. Er kann locker mit V und V mithalten. Ohne S’henice, die noch einen oder zwei Heiltränke hatte, hätte er vermutlich nicht überlebt und das obwohl er eine recht gute Selbstheilung hat. Der Einzige mit nur leichten Wunden, außer S’henice die völlig unverletzt war, war Cart. Dank der magischen Heilung durch S’henices Tränke würden aber alle gehen können. Cart sicherte den Weg und Jacques kümmerte sich um die Pferde von V und V, problemlos wohlgemerkt. Ich hätte mich nicht in die Nähe der Bestien gewagt, wenn ihre Herren nicht dabei sind. Selbst Faran, das hinterhältige und fiese Streitroß von Sparhawk wird zum Pferdchen für den Sonntagsausritt, verglichen mit diesen beiden. Aber Jacques hatte sie beide voll im Griff. Als wir Pass kamen, mussten wir natürlich alle die Pferde und Ponies führen. V und V hatten sich auch ganz gut erholt. Eine kurze Pause zum Erneuern der Verbände musste genügen. S’henice war hierbei wieder eine große Hilfe. Zudem lenkte ihr Anblick die Männer von den Schmerzen ab. Danach brachen wir auf um bei Tageslicht noch soweit wie möglich zu kommen. Der Weg durch die Schlucht war sehr eintönig und wir hatten viel Zeit zum Nachdenken. Mir ging so allerlei durch den Kopf und plötzlich hatte ich eine Eingebung. Es gab da zwei Zauber, von denen ich gelesen hatte, die mir aber nicht gelingen wollten. Aber jetzt glaubte ich endlich zu verstehen, wie sie funktionierten. Bei nächster Gelegenheit würde ich das ausprobieren müssen.
Tatsächlich benötigten wir jetzt als Invalidengruppe bei Tag länger als ich alleine bei Nacht. Trotzdem erreichten wir irgendwann die Stelle mit den Zwergen und siehe da, sie diskutierten und schimpften immer noch. Ich hatte nicht den Eindruck als hätte sich inzwischen irgendwas geändert. Zwerg konnte sich offenbar sofort in die Situation versetzen. Er begrüsste die Zwerge und unterhielt sich eine Weile mit ihnen. Wir anderen schienen nicht zu existieren. Mit einiger Mühe konnte ich dem Gespräch folgen. Zum Glück sprach Zwerg einen nicht ganz so schlimmen Dialekt wie die anderen Beiden. Heraus kam letztlich eine Warnung den eingeschlagenen Weg nicht weiter zu verfolgen, da er bekannt dafür sei, dass es Trolle in Unmengen gab. Zugegeben, für Trolle sind wir gerade nicht in der richtigen Verfassung. Glücklicherweise verrieten die Zwerge Zwerg einen geheimen Pfad. Der zwar einen kleinen Umweg bedeutete, aber das würde sich im Endeffekt bezahlt machen. Zwerg bedankte sich überschwänglich und schon ging es weiter.
Dank der exakten Anweisungen war der versteckte Pfad schnell gefunden. Es war eigentlich eher eine enge Felsspalte, die in doppelter Mannshöhe zugefroren war. Auch die Wände und der Boden waren vereist. Jetzt war Vertrauen angesagt. War das wirklich der bessere Weg? Zwerg war davon überzeugt und betrat als erster den Tunnel. Wir anderen folgten. Zwei bis drei Stunden würde es dauern, bis wir wieder auf der anderen Seite wären, hatten die Zwerge gesagt. Das konnte ich gerade so mit einer rauchlosen Lichtquelle schaffen und wurde dafür auch sofort belohnt. Es funkelte und glitzerte überall. Eine wahre Pracht. Allerdings wussten nur Zwerg und ich dieses Naturschauspiel ausreichend zu würdigen. Die meisten fanden es ganz nett und Vitali geriet sogar in Panik. Er, der das weite Land gewohnt war, konnte die drückende Enge hier im Tunnel nicht ertragen. Hilfe kam von ungewohnter Stelle. Adalbert konnte einen beruhigenden, angstnehmenden Einfluss auf Vitali ausüben. Vladimir hatte sich von Anfang an etwas besser unter Kontrolle. Also machten wir uns daran die Tiefen des Tunnels zu ergründen. Nachdem einiger Zeit, als ich mich ein wenig an den glitzernden Fassaden satt gesehen hatte, kamen die Zweifel zurück. Würde es einen Ausgang geben oder war das eine Falle. Diese Zwerge machten ja auch nicht gerade einen sehr vertrauenswürdigen Eindruck. Aber ich behielt meine Gedanken für mich. Und wirklich, nach fast drei Stunden, mein letztes Licht verlosch gerade, hörten wir den Ausgang in der Ferne. Mittlerweile war es Nacht und wir beschlossen ein Stück weit im Tunnel ein Lager aufzuschlagen, da draussen ein Blizzard zu toben schien. Nur Vitali zog die eisige Kälte des Wintersturms der gemütlichen Enge des Glitzertunnels vor. Zu essen gab es diesmal Lindwurm.
Ein Gedanke zu „Fünf einsame Stunden“