Düstere Gänge
Nach einem kurzen Moment der Orientierungslosigkeit befand ich mich in einer ähnlichen Bodenmulde in einem kleinen Raum. Ich verließ die Mulde umgehend, um nicht mit Zwerg zu kollidieren, der direkt nach mir kam. Er war der letzte, der den Teleporter benutzte. Interessante Erfahrung. Zweifelos. Uninteressante Gegend. Auf den ersten Blick. Wir befanden uns in einem kahlen Raum, der offenbar magisch erleuchtet war. Zumindest war keine Lichtquelle zu erkennen. Aber dafür der ganze Staub. Die Luft war auch ziemlich trocken hier. Immerhin gab es eine Tür. Eine sehr massive Tür aus schwerem Hartholz, sehr präzise in den Türrahmen eingefügt. Aber offen. Jacques war ja schon eine Weile hier und hatte sie natürlich geöffnet. Nachdem wir vollzählig waren wagten wir uns hinaus. Die Tür führte in eine Gang. Dieser zog sich endlos, ich meine, ziemlich weit nach links hin. Mit Türen in bestimmten Abständen und ein kurzes Stück nach rechts. Dort knickte der Gang dann nach links ab. Eine kurze Inspektion vor dem Öffnen irgendwelcher Türen ergab drei parallele lange Gänge mit Türen, die jeweils, an beiden Enden mit einem Gang verbunden waren. Wir waren an einer der vier Ecken gelandet (Im Plan oben links). Nachdem wir einen groben Überblick hatten beschlossen wir uns nach links zu wenden. Gemäß alter Abenteurertradition. Man soll sein Schicksal nicht versuchen. Und die ganze Umgebung hier machte trotz Beleuchtung einen bedrückenden, unangenehmen Eindruck auf uns. Auch Rozi reagierte leicht verstört. Hier gab es nur steinerne Wände und Türen aus Stein oder Holz. Da Cart nicht da war verliessen wir uns bei der Suche nach Fallen im Wesentlichen auf Zwerg. Ansonsten blieben wir bei der etablierten Routine. Die erste Tür führte in einen quadratischen Raum. Nicht viel größer als der Raum mit der Mulde aber vollgestellt mit Regalen. Leeren Regalen. Es könnten einmal Bücherregale gewesen sein. Alles voller Staub aber ansonsten leer. Schade. Sehr schade. Der nächste Raum bot uns ein ähnliches Bild. Die ganze Anlage schien verlassen zu sein. Vielleicht nicht das Schlechteste. Der dritte und letzte Raum am Ende des Ganges glich dem ersten, also dem Ankunftsraum. Er war leer und hatte eine Mulde in der Mitte. Offensichtlich ein weiterer Teleporter. Vielleicht der Ausgang. Allerdings war hier die steinerne Mulde nicht glatt poliert und mit Mustern und arkanen Symbolen verziert, sondern der Stein wirkte alt und brüchig und war von breiten Rissen durchzogen. Der Anblick erinnerte mich stark an mißlungene magische Experimente. Zwerg bestätigte, wenn das ein Teleporter war, würde er nicht mehr oder nicht mehr richtig funktionieren. Hoffentlich ist es nicht der Ausgang. Also, nicht der einzige Ausgang. Als wir den Raum verliessen kam uns Cart entgegen. Was für eine Überraschung. Das ging ja schneller als gedacht. Wo kam er jetzt her? Konnte er die Akademie nicht verlassen? Aber wie war er dann in den Teleporterraum gelangt? Wir hatten die Tür verschlossen und er hatte nur einen der drei Schlüssel. Fragen über Fragen. Cart winkte allerdings nur kurz ab, sagte die Tiere seien in Sicherheit und darüber könnten wir später reden. Mit einem Seitenblick auf den Falken auf seiner Schulter, sagte er noch, er hätte einen Auftrag. Irgendwas mit einem Buch. Na gut. Dann halt später. Ich würde ihn wohl besser mal im Auge behalten. Wir begaben uns zum Mittelgang. Nicht weit im Gang, auf der linken Wand war ein kopfgroßes Symbol in die Wand eingearbeitet ein Basrelief. Allein es zu betrachten drehte mir fast den Magen um. Es wahr faszinierend, präzise gearbeitet und schrecklich. Schön und schrecklich zugleich. Bevor es mir die Sinne völlig verwirrte machte ich den Test auf Magie und siehe da, das Symbol, eigentlich ein Portrait, ein menschliches Gesicht oder eine menschenähnliche Fratze, war eindeutig magisch. Sehr magisch und mit hoher Sicherheit eine Falle. Wer hier vorbeiwollte, musste sehr vorsichtig sein. Adalbert wirkte etwas gequält seit er das Symbol gesehen hatte. Er suchte tief in seinen Erinnerungen und endlich fand er etwas. Dieses Symbol gehörte zu einer Gottheit, die im chaotisch bösen Bereich der Götterwelt angeordnet war. Kein Wunder. Wir würden diese Stelle erstmal meiden. Die Gänge waren ja nicht lang, deshalb prüften wir schnell die andere Seite des Ganges. Dort befand sich ein identisches Symbol. Und auch an der Tür am Gangende prangte dieses Symbol. Wir beschlossen deshalb den längeren Weg zu nehmen und untersuchten als nächstes die Tür, die unserem Ankunftsraum diagonal gegenüberlag. Die übliche Routine ergab nichts, das Öffnen der Tür brachte aber eine Überraschung hervor. Keine Teleportermulde, keine leeren Regale, kein Staub. Ein von zwei Fackeln erhellter Raum. Ein Pentagramm, in den steinernen Boden geätzt und konzentrische Schutzkreise, fein säuberlich, ja meisterhaft mit farbigen Sand gezogen. Mittendrin in den Kreisen stand eine Frau. Seltsam. Eine menschliche Frau und für menschliche Augen wohl auch wunderschön. Anziehend. Begehrenswert. Nicht sehr aufwendig bekleidet noch dazu. Ein leichtes Verlangen sie zu befreien, die Sandkreise zu verwischen, machte sich in mir breit. Ich ahnte böses. Ein kurzer Blick in die Runde bestätigte meine Vermutung. Während Zwerg wieder einmal wie ein Fels in der Brandung ungerührt die Frau musterte zeigten alle anderen Anzeichen von starker Unruhe. Adalbert stand der Schweiß auf der Stirn und langsam näherte er sich dem Pentagram, unverständliche Dinge vor sich hin murmelnd. Schnell wirkte ich einen Schlafzauber auf ihn, doch offenbar hatte die magisch aufgeladene Atmosphäre in diesem Raum einen negativen Einfluß, der Zauber verpuffte wirklungslos. Die Anderen hatten es mittlerweile auch bemerkt und versuchten ihn aus dem Raum zu ziehen während die Frau ihre mentalen Anstrengungen verstärkte und auf Adalbert konzentrierte. Zwerg, Cart und Avamys hatten ihre liebe Not Adalbert aus dem Raum zu zerren. Es ging aber zum Glück ohne Verletzungen ab. Wieder draussen schlossen wir sofort die Tür und begaben uns zur nächsten. Wir wollten schnellstmöglich einen gewissen Abstand herstellen und die nächste Tür war verhältnismäßig weit weg, da es in diesem Gang nur drei Türen gab. Witzigerweise rutschte Adalberts Hose jedesmal, wenn er versuchte zurück zu laufen und hinderte ihn so daran. Göttliche Gerechtigkeit oder ein Scherzbold in der Gruppe? Normalerweise sind es wir Gnome, die zu solchen Scherzen neigen. Das bringt einen auf den Boden der Tatsachen zurück. Ich jedoch war schon immer etwas ernster als die anderen. Lag vielleicht an meiner Kindheit. Na gut, wir hatten die Tür erreicht, eine Holztür diesmal, und die übliche Routine durchgeführt. Da Cart wieder bei uns war, durfte er auch wieder Fallen suchen. Nichts. Also hat Zwerg die Tür geöffnet. Wieder ein quadratischer Raum. In der Mitte des Raumes stand eine Säule, verziert mit hoffentlich abstrakten Kreaturen. Um die Säule waren vier Lesetische angeordnet, der Rest des Raumes ist voller leerer Regale. Staub überall. Zwerg brummte irgendetwas von unheimlich und nicht in Ordnung in seinen Bart. Was meinte er bloß? Ich schaute mich noch einmal genau um. Die Regale, Zwerg hatte Recht. Die Regale waren gar nicht leer. Es standen Bücher darin. Mein Aufschrei erschreckte die Kameraden etwas, aber nachdem ich ihnen von meiner Entdeckung berichtet hatte, sahen sie es plötzlich auch. Bis auf Adalbert. Vielleicht war es der verfluchte Helm. Egal. Jaques, Zwerg und ich machten uns sofort daran, die Bücher zu untersuchen. Avamys zeigte ein nur mäßiges Interesse, Cart überhaupt keins und Adalbert konnte sie nicht sehen. Jacques interessierte sich für Sagen und Erzählungen, Reiseberichte und die Beschreibung ferner, märchenhafter Orte. Er fand mehr als er vermutlich würde tragen können. Zwerg interessierte sich für ein umfangreiches Werk über Kräuter und Heilkunde. Autor war anscheinend ein Mönch, ein gewisser Hildegard. Er packte es ein und schaute sich weiter um. Ich fand drei Zauberbücher mit fast zwei Dutzend Zaubern. Die meisten würden die ganz einfachen sein, solche, die ich schon beherrschte. Aber es würde sich sicher lohnen die Bände im Detail zu studieren. Während ich noch versuchte, die Bücher in meinem Rucksack zu verstauen, rief uns Zwerg. Er hatte den Auslöser für eine Geheimtür gefunden und ausgelöst.
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