Die Leere
Leer! Das Buch war leer! Hunderte von leeren Seiten schienen mich auszulachen. Ich blätterte von vorne bis hinten alle Seiten durch und wieder zurück. Nichts. Das Buch war leer. Natürlich war das Buch magisch. Alle möglichen Zauber konnten den Inhalt vor uns verbergen. Ein Test auf verschiedene einfache Geheimtinten verlief erwartungsgemäß negativ. Unsichtbar war hier auch nichts, es war einfach nichts da. Wozu all der Aufwand? Für ein leeres Buch? Kammer des Wissens hatte irgendwie einen endgültigen, allumfassenden, ja allwissenden Klang für mich und dann nur ein Buch. Das wäre nie in der Lage auch nur einen Bruchteil des Wissens auf zunehmen. Ich selbst könnte mit meinem bisherigen kurzen Leben das komplette Buch füllen. Aber vielleicht, … vielleicht musste man sich zuerst darüber im Klaren sein, was man wissen wollte bevor das Buch Auskunft gab. Vielleicht beantwortete das Buch Fragen. „Ist es so? Kannst du meine Fragen beantworten?“ Unwillkürlich hatte ich die Frage laut ausgesprochen. Und tatsächlich, es bildeten sich Worte auf der leeren Seite. Eine sehr gleichmäßige geschwungen Handschrift erschien. „Ja, ich kann Dir Deine Fragen beantworten!“ stand dort zu lesen. Es funktionierte! Meine Begeisterung war entsprechend groß. Ich hüpfte einen Moment lang auf dem Podest auf und ab und schrie meine Erleichterung heraus. Die Kameraden waren etwas verwirrt und wollten schon eingreifen. Sie beruhigten sich aber schnell, als sie die Bedeutung meiner Entdeckung begriffen. Nachdem ich meine Fassung wiedergewonnen hatte begann ich Fragen zu stellen. Wir vereinbarten vorher noch, dass jeder das Buch für sich nutzen durfte, allein! Die anderen zogen sich hinter die gelbe Linie mit dem Hinweis Privatsphäre zurück und warteten gespannt bis sie an der Reihe waren. Das Buch war sehr ergiebig. Es wusste wer meine leiblichen Eltern waren und wo ich herkam. Ich hatte ein neues Ziel! Die Informationen zu den jüngeren Ereignissen waren für uns beruhigend. Fasegart war für die Morde an den Holzfällern verantwortlich. Er beauftragte die Assassinen, war aber unzufrieden mit der Durchführung. Daher zahlte er nicht den kompletten vereinbarten Preis. Das wiederum nahm die Assassinengilde nicht etwa gleichmütig auf, nein, sie erinnerten ihn, schmerzlich, an die ausgemachte Summe. Eine Erinnerungsnotiz, befestigt mit einem Dolch im Rücken des Magiers. Irgendwie angemessen. Damit war die Angelegenheit aber auch erledigt. Niemand sonst wusste Bescheid und niemand lauerte uns auf. Wie gesagt, beruhigend. Andere Annahmen bestätigten sich. Der Ring war eine Feuerschutzring, die klare Flüssigkeit Gift. Vermutlich für uns bestimmt. Glücklicherweise kam es nie zu dem geplanten Abendessen. Meine Befürchtungen zu den jüngsten Funden bewahrheiteten sich leider auch, wenn auch nur zum Teil. Der Helm, den Adalbert jetzt auf dem Kopf trug, war ein mißlungener Zauber. Ich sollte es ihm besser sagen. Die Unsichtbarkeitszauber ebenfalls. Also zwei davon. Man würde im Zweifel alle drei Flaschen trinken müssen um den gewünschten Effekt zu erreichen. Schade. Was die anderen so dem Buch an Wissen entnahmen weiß ich nicht. Jacques erzählte uns was von dem Gang, der verschüttet war. Dort sei noch ein Gegner anzutreffen. Brauchten wir aber nicht. Er müsste schon von selber herauskommen. Zwerg entdeckte mit Hilfe des Buches einen anderen Ausgang. Er hatte die ganze Zeit schon Panik davor sich an der Kugel vorbei quetschen zu müssen. Offenbar gab es hier im Raum eine Teleportermulde. Ein Einweg Teleporter wohlgemerkt. Einmal hin, alles drin! Ich bin verwirrt. Es würde keinen Weg zurück geben, meinte ich. Nach den Angaben des Buches würden wir mehrere Tagesreisen von hier in einem Turm herauskommen. Das war für Cart natürlich nicht akzeptabel. Er würde wieder zu den Tieren zurückgehen und so schlank und beweglich wie er war, sollte das auch kein Problem sein. Wir anderen beschlossen den Teleporter zu versuchen. Ein bequemer Ausgang. Würdevoller als sich durch ein Loch zu quetschen und vor allem neue Möglichkeiten. Wir baten Cart daher sich um unsere Tiere zu kümmern. Sicherheitshalber gaben wir ihm auch eine grobe Karte mit unserem vermuteten Ziel mit. Er würde natürlich Wind folgen aber wenn dieser in unsere Richtung wehte, wäre es vielleicht hilfreich. Cart verabschiedete sich und machte sich auf den Weg. Während wir alle beratschlagt hatten wie es weitergeht hatte Jacques bereits die Initiative ergriffen und war in den Teleporter gesprungen. Niemand wusste wie lange er schon weg war. Adalbert unterdessen, hatte mittlerweile mit Schrecken festgestellt, dass sich der Helm nicht mehr absetzen lies. Ich hatte ihn gewarnt. Dagegen konnten wir jetzt nichts machen. Weder Zwerg noch ich hatten einen Gegenzauber parat. Bei Adalbert jedenfalls führte das zu einer gewissen geistigen oder auch geistlichen Verunsicherung. Er bestand darauf für die Untoten zu beten und um die Erlösung ihrer Seelen zu bitten. Ein Wunsch, den wir ihm nicht abschlagen konnten. Jacques würde warten müssen. Adalbert lies sich für sein Gebet auch extra vom Buch des Wissens die Name der Untoten geben. Jacques würde wohl etwas länger warten müssen. Irgendwann war es dann soweit. Die Tür hatten wir wieder verschlossen, das ging sowohl von innen wie von aussen. Die Schlüssel hatten wir verteilt. Zwerg, Cart und ich hatten jeweils einen Schlüssel. Wer weiß für was das gut ist. Dann schlossen wir noch das Buch und gingen einer nach dem anderen in die Teleportermulde.
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