Die Kapelle
Riesige Käfer überall, soweit das Auge reicht. Größer als ich und annähernd zwanzig davon. Unangenehm. Aber ich hatte da eine Idee. Wenn ich die Flammenden Hände auf die richtige Art und Weise mit der Feuerkugel verbinden könnte … . Es könnte funktionieren. Ich bat die Kameraden sich noch einen Moment zurückzuhalten. Schließlich wusste ich nicht genau was passieren würde und fing an den modifizierten Zauber zu sprechen. Wumm. In der Grube mit den Käfern explodiert ein Feuerball. Ein heißer Wind zog an uns vorbei, es roch verbrannt. Das Feuer hielt nicht lange an. Rund ein Dutzend der Käfer hatte es erwischt, sie waren zwar nicht tot, aber sahen schon reichlich mitgenommen aus. Mitgenommen und verärgert. Zumindest bewegten sie sich in unsere Richtung und irgendwie sah das nicht gerade freundlich aus. Und schnell waren sie auch. Sofort sprang einer auf mich zu, ich hatte kaum Gelegenheit der Kieferzange auszuweichen. Das würde sein Tod sein. Ich habe die Nase voll von Fleischwunden. Während um mich herum ein Scharmützel entstand, zog ich die Zauberstäbe und feuerte sie auf den Käfer ab. Siehste wohl. So geht das. Danach erstmal hinter die eigenen Linien zurückziehen. Fronteinsatz ist nichts für mich. Im Großen und Ganzen haben wir dann mit den Käfern recht schnell aufgeräumt. Die meisten waren ja bereits angegart und warteten nur auf den Todesstoß. Dummerweise erwischte mich dann doch noch so ein fieser Säurespritzer. Das brannte ganz schön auf der ungeschützen Haut und fraß richtige Löcher. Meine Kleidung sah danach aus wie ein Fischernetz. Da hilft wohl auch keine Reparaturmagie mehr, da musste was neues her. Ich musste mir in der nächsten Stadt unbedingt einen Zauber von diesem Zalando besorgen. Die waren im Moment echt in. Zalandos lustige Wanderschuhe oder Zalandos garantiert dichtes Regencape vielleicht. Mal sehen. Vielleicht könnte ich auch mal ein Praktikum bei Zalando selbst machen. Schließlich war er auch ein Gnom, hatte ich gehört. Aber ich weiche vom Thema ab. Avamys Rüstung hatte auch etwas abbekommen, aber das würden V+V schon wieder richten. Die Käfer waren beseitigt. Zeit sich der Treppe zuzuwenden.
Am oberen Ende der Treppe war eine Art Balkon mit Blick auf die Grube. Vielleicht wurden hier mal Gladiatorenkämpfe durchgeführt. Von oben konnte man dann auch wieder einmal, ziemlich undeutlich allerdings, ein Pentagramm sehen. Durch die Biomasse am Grunde der Grube. Dann war die wohl doch nicht so tief wie zuerst vermutet. Der letzte Absatz wurde von der Autorin (Tulpe) mit Rücksicht auf eventuell zartfühlende Gemüter gekürzt wiedergegeben.
In der Wand hinter dem Balkon war eine Tür.
Habe ich gerade gesagt eine Tür? Natürlich handelt es sich um eine Geheimtür und natürlich hat Zwerg sie erst gefunden, nachdem wir ihm alle gehörig auf die Nerven gegangen sind: „Hier muss doch was sein Zwerg, jetzt schau doch bitte nochmal ganz genau hin, ja!“.
Unser Insistieren wurde Zwerg beinahe zum Verhängnis. Stolz, endlich doch was gefunden zu haben, präsentiert er uns die Umrisse der Geheimtür. Aha! Wenn er meint. Wo habe ich doch gleich noch dieses Vergrößerungsglas? Egal. Cart findet keine Fallen und Zwerg hat die Ehre, die selbstgefundene Tür zu öffnen. Räusper. Er hatte die Tür noch nicht vollständig geöffnet als es geschah. Viel zu schnell für uns anderen irgendetwas dagegen zu unternehmen. Überhaupt hatte niemand mit so etwas gerechnet. Mehr Käfer, oder ein verschlafener Untoter, sicher. Die gab es hier ja überall. Aber sowas. Nein, sowas nicht. Na, noch interessiert um was es geht? Also, das war so. Zwerg öffnete die Tür. Wie immer natürlich mit angemessener Vorsicht. Im Raum dahinter war es dunkel. Auch wie immer oder wenigstens meistens. Da geschah es. Soweit waren wir schon mal, nicht war? Eine große, eine wirklich große Hand packte Zwerg am Arm -und wer Zwerg kennt weiß jetzt, dass es sich um eine wirklich große Hand gehandelt haben muß- und versuchte ihn in den Raum zu ziehen. Es war groß und kräftig und … grau. Ein Golem vielleicht. V+V stürmten nach vorne, behinderten sich in der Tür aber gegenseitig. Das sah nicht sehr koordiniert aus, aber die würden das schon schaffen. Sicherheitshalber verschoß ich mal eine Ladung magischer Geschosse. Zumindest Treffen war damit kein Problem. Der mutmaßliche Golem zeigte keinerlei Reaktion. V+V versuchten jetzt, den Golem nach hinten zu Fall zu bringen. Nach einigem Ringen klappte das auch. Der Golem, Zwerg, Vitali und Vladimir fielen in den Raum und bildeten einen Knäuel. Der Golem stand praktisch sofort wieder auf den Beinen, rechtzeitig um sich von mir eine weitere Ladung magischer Geschosse einzufangen. Vladimir hatte es schlechter getroffen. Vermutlich war der Golem auf ihn gefallen. Er kroch mühsam auf allen vieren davon. Ein Heiltrank von Avamys und einmal Hand auflegen von Jacques würden fürs erste reichen müssen. Immerhin konnten wir jetzt alle in den Raum und hatten freies Schußfeld auf den Golem, ein Lehmgolem übrigens. Unserer geballten Vernichtungskraft war er dann doch nicht lange gewachsen. Kleine Zwerge aus dem Hinterhalt angreifen, das konnte er. Für eine Premium Abenteurergruppe war er aber nicht gemacht.
Trotzdem mussten auch wir eine Weile innehalten, als der Golem endlich gefallen war. Der Raum war eine Art Studierzimmer. Reihenweise Bücherregale, eine ehemals bequeme Sitzgelegenheit, Tische, zwei große Holztruhen und zwei Fäßchen. Weinfäßchen vielleicht. Mal sehen. Zuerst die Truhen. Cart untersucht die Erste, befand alles in Ordnung und öffnete das Schloß. Keiner konnte das Klicken des Schlosses hören. Es wurde vom Knallen einer elektrischen Ladung übertönt, die meinem Geschoßstab zur Ehre gereicht hätte. Cart zuckte vor Überraschung zusammen. Schmerz war ihm natürlich fremd. Die Brandwunde sah richtig übel aus aber die Truhe war jetzt offen. Wir alle zügelten unsere Neugierde bis Cart verbunden war und untersuchten dann den Inhalt. Der größte Teil der Truhe wurde von kleinen Säckchen eingenommen, 40 an der Zahl. Jedes Säckchen enthielt 100 GS. Das war auf jeden Fall schon mal ein guter Anfang. Außerdem fanden wir zwei Aquamarine, laut Zwerg bestimmt nochmal 1.000 GS wert. Einen magischen Schutzring, der ging an Vladimir, der die letzten Kämpfe immer einiges einstecken musste. Einen magischen Gürtel für Vitali, der die Kämpferfähigkeiten verbessern sollte. Eine magische Feder von Quaal, so eine hatten wir vor einiger Zeit schon mal gefunden. Beide nahm jetzt Cart an sich. Eine magische Tasche für den Paladin. Vermutlich will er damit vermeiden, seinen Anteil spenden zu müssen. Diverse Zaubertränke teilten sich Vitali und Avamys. Zu guter Letzt waren noch ein Zauberstab mit magischen Geschossen -leider nicht vollständig geladen- ein magischer Stecken um die Wirkung von Zaubersprüchen zu erhöhen und eine Schriftrolle mit einem Zauber übrig. Dieser Kleinode gingen an mich.
Die zweite Truhe war ungesichert. Cart hatte sie nach der Erfahrung mit der ersten besonders genau untersucht. Deshalb war er auch wieder überrascht, als ihn ein noch größerer Blitz beim Öffnen niederstreckte. Nur wenige konnten so eine Entladung überleben. Cart gehörte glücklicherweise dazu. Also, verbinden und nachschauen. Die zweite Truhe enthielt ein Zauberbuch. Ein ziemlich großes noch dazu. Damit würde ich mich eine Weile beschäftigen können. Außerdem gab es da noch ein paar Dinge, die uns der Spielleiter verschwiegen hat, aber vielleicht hat das ja einen Grund.
Appropos Buch. Wir fanden noch ein Buch. Ein Tagebuch des früheren Besitzers. Leider war es nicht mehr vollständig. Die wenigen Einträge, die ich entziffern konnte ließen aber eher auf einen weniger gefestigten Charakter schließen. Nach einigen Wirrungen in jungen Jahren hat er sich schließlich mit dem Beschwören von Dämonen beschäftigt. Vermutlich hat er einen Großteil der Einwohner dieser Gegend an ebensolche verfüttert. Den hiesigen Herscher hatte er zuerst ebenfalls unter Kontrolle, später ersetzte er ihn durch eine Marionette. Das Volk durfte seine abartigen Studien mit seinen Steuergeldern finanzieren. Der letzte Eintrag endet etwas abrupt. Es ist zu hoffen, das für das Leben dieser Schande meiner Zunft das Gleiche gilt.
Da das mutmaßliche Arbeitszimmer in einem guten Zustand war, beschlossen wir uns hier für einen Tag zu erholen, bis die größten Wunden verheilt und die gröbsten Schäden repariert waren. Eine gute Gelegenheit sich mit den neuen Errungenschaften zu beschäftigen und die Fäßchen zu untersuchen. Es handelte sich tatsächlich um Wein. Einen sehr guten sogar. Nein, das trifft es nicht. Es war ein hervorragender Wein, nie habe ich einen besseren gekostet. Zum Glück weiß das hier niemand zu schätzen. Die zwei Fäßchen kommen in den Beutel. Punkt.
Am darauffolgenden Morgen waren wir alle wieder soweit hergestellt und beschlossen endlich in Richtung dieses Wirbelsturms weiterzureisen. Cart übernimmt die Führung. Es geht erstmal zurück in Richtung Baumturm. Am späten Nachmittag kommen wir zu einem alten Friedhof. Hier gibt es überall Spuren. Einige der Gräber wurden wieder geöffnet, manche erst kürzlich. Von außen. Die Spuren waren etwas verwirrend. Bemerkenswert war eigentlich, nicht das wir in der Kapelle auf fast zwei Dutzend Zombies trafen, die wir erlösten, nein, sondern dass Adalbert, ja unser Möchtegern Paladin, erfolgreich, ich wiederhole, erfolgreich, ein halbes Dutzend dieser untoten Kreaturen bannte. Na sowas. Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Im Turm fanden wir dann wieder ein Pentagramm und zwei Spiegel. Im einen sahen wir wieder die Schloßruine, im anderen einen Höhleneingang in einer Klippe. Warum nur haben wir im schwarzen Turm keine Spiegel gefunden?
Wie alles begann: Der Aufbruch
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