Der Vampir
Zugegeben, es waren viele Wölfe, aber bereits nach dem ersten Schlagabtausch hatte ich den Eindruck, dass es sich um normale Wölfe handelt. Das würden unsere erfahrenen und mittlerweile ausgezeichnet ausgerüsteten Kämpfer mühelos bewerkstelligen. Da musste ich mich wirklich nicht einmischen. Am Ende würde noch einer der Großen über mich fallen und mich verletzen. Das war auf jeden Fall zu vermeiden. Also war diesmal vornehme Zurückhaltung angesagt. Sehr vornehm und vor allem sehr zurück.
Wie vermutet hatte sich bereits wenige Minuten später alles in Wohlgefallen aufgelöst. Alle Wölfe tot und die Gefährten kaum verletzt. Nicht der Rede wert, Sind ja alles harte Burschen. Bis auf Adalbert vielleicht. Nein, eigentlich ganz sicher, bis auf Adalbert.
Nach einem kurzen Wunden lecken ging Zwerg sofort zum Wesentlichen über. Die Habseligkeiten der toten Halblings. Die unerwartete Ankunft der Wölfe hatte uns davon angehalten uns sofort darum zu kümmern. Überraschenderweise hatte der jetzt Gepfählte einiges an interessanten, soll heißen magischen, Gegenständen bei sich.
Da gab es zum Beispiel ein glänzendes, stählernens Schild für Zwerg, einen Gürtel der Stärke für Jacques und ein elfisches Kettenhemd auch für Jacques. Jetzt war er ja stark genug und konnte es auch tragen. Dann waren da noch ein komischer Umhang für Vitali. Jetzt hatte er was von Superman. Schick. Alle Superhelden brauchen einen Umhang.
Außerdem hatte der Halbling noch eine Axt, die ging an Cart. Und dann war da noch ein gar seltsames Ding, eine Art tragbares Loch. Ich hatte schon mal gerüchteweise von so etwas gehört, was es aber genau war wusste ich auch nicht. Wir gaben es Zwerg. Zwerge hatten ein Faible für Löcher. Steine und Löcher. Zu guter Letzt fanden wir noch drei Zauberstäbchen. Schlecht dokumentiert. Leider. Auf Anhieb lies sich überhaupt nicht sagen, was man damit anfangen konnte. Damit es keine magischen Unfälle geben würde, wurden die Stäbchen mir übergeben. Besser ist das.
Als nächstes Ziel hatten wir uns die drei Türen in unserer Nähe auserkoren. Hinter einer davon konnte Adalbert eine böse Auro spüren. Ziemlich böse. Also, die übliche Vorgehensweise. Keine Falle, keine Geräusche. Zwerg öffnet die Tür. Dahinter befand sich eine Art Kerker. Ein-einviertel Dutzend angekettete Zombies. Unverhofft kommt oft. Wieso sind die angekettet? Die Armee der Finsternis in der Garage? Nun. Hier war jedenfalls schnell Abhilfe oder auch Erlösung zu schaffen. Jeden Tag eine gute Tat. das hier würde für zwei Wochen reichen. Adalbert und Zwerg erlösten die Zombies umgehend von ihrem Schicksal. Damit war dieser Raum erledigt, Zeit für den nächsten. Auch dieser Raum barg wieder eine Überraschung. Berge von Knochen aller Art. Oder nein, nicht aller Art, nur von menschenähnlichen Kreaturen. Menschen, Halblinge, Elfen, Zwerge, Halb-Orcs, Gnome, ja, viele Gnome sogar. Viele dieser Knochen waren sortiert nach Rasse. Auf einem Tisch fanden sich Aufzeichnungen. Es handeltes sich offenbar um eine Liste mit Gräbern oder Gegenden, in denen man Tote finden konnte. Das meiste war abgehakt. Hier hatte jemand systematisch Knochen gesammelt und sortiert. Auf den zweiten Blick fiel auf dass auffällig wenig menschliche Knochen darunter waren. Hier gab es nichts zu holen für uns, also weiter in den nächsten Raum.
Neben der Tür des dritten Raumes war eine Statue aufgestellt, eine zornig und böse auf die Insel schauende menschliche Frau. Unwillkürlich viel mir ein Vers aus Dantes Göttlicher Komödie ein:
Bluttriefend beieinander, hoch erhoben,
An Wuchs und Haltung Weibern gleich, so standen
Die höllischen drei Furien stracks dort oben.
Giftgrüne Hydern ihre Gürtel banden,
Als Haupthaar Nattern sich den Unholdinnen
Und Vipern um die Schläfen dräuend wanden.
Ein Schauder lief mir über den Rücken. Ein Wink mit dem Zaunpfahl auf einen Rachekult? Jedenfalls war die Statue nicht magisch und schien ungefährlich zu sein. Also nochmal tief durchatmen und rein in den Raum. Auch der dritte Raum enthielt Knochen, allerdings nur menschliche. Es gab einige Tische, auf denen halbfertige Skelette lagen und einen leeren Tisch. Auch hier wieder ein paar Aufzeichnungen, deren Inhalt sich mir nicht wirklich erschloß. Offensichtlich versuchte hier jemand menschliche Skelette zu rekonstruieren. Vielleicht auch nur eines. Und vielleicht hatte dieser Jemand, anhand der Tischhöhe würde sich der tote Halbling anbieten, sein Ziel erreicht, denn einer der Tische war ja leer. Auch dieser Raum war eine Sackgasse. Aber es gab ja noch andere.
Ein weiterer Raum, zwar nicht auf der Insel, jedoch auf der anderen Seite des Wasserlaufs bot sich als nächstes Ziel an. Auch hier gab es eine ähnliche Statue. Der Raum selbst war ursprünglich eine Art Bibliothek. In Richtung Insel war der Raum nur durch ein Gitter geschützt. Ein ehemals bequemer Sessel in Halblingausführung lag neben einem kleinen Tisch. Der Raum schien dafür gemacht, bequem bei einem guten Buch die Insel zu beobachten. Überall lagen zerfetzte Bücher umher. Meist Werke über Nekromantie. Für mich sowieso unverständlich, und so zerfetzt wie sie waren schlicht wertlos. Niemand möchte bei der Ausführung nekromantischer Zauber fehlende Stellen raten. Und seien sie auch noch so klein. Niemand. Aber es fand sich auch eine Art Tagebuch des Halblings. Aus unseren Erlebnissen und diesen Fragmenten konnten wir das Geschehen hier einigermaßen rekonstruieren.
Demnach war der Halbling einer oder der einzige Überlebende der Katastrophe, die Dracon herbeibeschworen hatte und auch ihm selbst zum verhängnis wurde. Der Halbling überlebte und angetrieben von einem unermeßlichem Rachedurst wurde Priester eines Rachegottes. Er wurde recht schnell zu einem der führenden Priester dieses Gottes. Voller Rachedurst erschien er vor vielen Jahren in dieser Gegend um sich an Dracon zu rächen. Was für ein herber Rückschlag, als er erfuhr, dass Dracon selbst nicht überlebt hatte. An wem sollte er sich rächen? Da entwickelte er einen vermeintlich genialen Plan. Er würde die sterblichen Überreste Dracons finden, ihn zu einem Vampir wiedererwecken und bis ans Ende aller Tage quälen. Schöne Aussichten. Sowas motiviert doch gleich wieder. Der Vorteil der Vampirerweckung ist offensichtlich. Sie sterben nicht einfach bevor der Rachedurst gestillt ist und sie lassen sich einfach gefangenhalten. Ein wenig fliessendes Wasser wäre ausreichend. Gedacht getan. Der Halbling baute den Keller mit der Insel, umspült von fliessendem Wasser, beauftragte seine Zombie Armee Knochen für ihn zu sammeln und setzte vor kurzem Dracon erfolgreich zusammen. Dann, das entnehmen wir jetzt dem Fund der Leiche, scheint etwas schief gegangen zu sein. Der Plan war wie alle Pläne, unvollständig und fehlerhaft. Irgendwie hatte Dracon die Oberhand gewonnen und den Halbling seiner Rache beraubt.
Zumindest wussten wir jetzt, was uns auf der Insel ertwarten würde.
Desweiteren gab es noch zwei Räume hier. Eine Kammer mit erheblichen Mengen haltbarer Lebensmittel und ein Schlafzimmer. An dessen Tür hing bündelweise Knoblauch. Adalbert begriff sofort und hängte sich den Knoblauch um den Hals. Sicherheitshalber, sagte er. Ganz sicher würde er keine Probleme mehr mit uns haben, wir halten jetzt einen Sicherheitsabstand zu Adalbert ein.
Was bleibt ist die Insel. Nur Mut Kameraden.
Die schien verlassen zu sein, trotzdem gab es diesen bösen Fleck in der Mitte. Sollte da ein unsichtbares Monster lauern, ließe sich das feststellen. Schnurr, schnurr, schnurr, dreimal gezogen, und schon war die Insel voll. Voller glänzender Staubpartikel. Jede unsichtbare Gestalt wäre jetzt, zumindest schemenhaft, zu erkennen. Aber da war nichts. +#@§?/“#!
V+V verloren letztlich die Geduld und sprangen auf die Insel. Hatten sie denn jemals welche? Geduld meine ich. Die Brüder hatten jedenfalls genug Holzpflöcke mit, die Wahrscheinlichkeit hier einem Vampir zu begegnen war ziemlich hoch. Ob die das Pfählen wirklich hilft, wusste keiner von uns so ganz genau. Aber wir hatten auch kein Alternativen. Nun, Adalbert hatte eine. Er folgte den Pionieren mit dem Schwert in der Hand und dem Knoblauch um den Hals. Er würde den Vampir zu Tode stinken. Ach nein, der war ja schon tot. Mir scheint ein wenig Zurückhaltung angebracht. Ich würde mich erst mal auf Fernbeobachtung und im Zweifelsfall auf Artillerieunterstützung beschränken. Flucht wäre auch noch eine Alternative, aber das würde ich erst später in Betracht ziehen. Die drei scheinen etwas entdeckt zu haben. Ziemlich in Inselmitte starren alle auf den Boden. Plötzlich hebt Vladimir seine gewaltige Axt und schlägt auf seinen Bruder ein. Ups! Vladimir, zu recht überrascht, kann nur teilweise ausweichen. Autsch! Unbeeindruckt davon versuchte Adalbert das, was auch immer in der Mulde lag, mit einem mächtigen Schlag seines Schwertes in zwei Teile zu teilen. Zumindest konnte man aus einger Entfernung diesen Eindruck gewinnen. Allerdings, nicht ganz unerwartet, war das wohl ein Fehlschlag. Jedenfalls sprang etwas aus der Mulde auf Adalbert zu, riß ihn zu Boden und schien sich in seinen Hals zu verbeissen. Derweil hatten sich die beiden Brüder gegenseitig in ein Handgemenge verwickelt und rollten wild schreiend über den Boden. Jacques neben mir hatte wohl vergessen, dass er jetzt stärker war als früher, viel stärker. Beim Spannen seines Bogens zeriss er die Sehne. Zum Glück lässt sich sowas schnell reparieren. V+V mit sich selbst beschäftigt, Adalbert in den Fängen eines Vampirs, Jacques quasi waffenlos, ich musste mich wohl doch einmischen. Auch in diesem Fall schienen mir die magischen Geschosse die beste Wahl. Also ruck-zuck die Stäbe gezückt und Feuer frei. Fünf Geschosse rasten auf das Monster zu und schlugen ein. Der Vampir zuckte nur kurz zusammen. Na warte, mal sehen wieviel du davon verträgst. Während Rabe auf die Insel sprang um den Vampir anzugreifen, Cart sich die Augen verband, während er etwas vom hypnotischen Blick der Vampire vor sich hinmurmelt, feuere ich die Stäbe ein weiteres Mal ab. Um es kurz zu machen, insgesamt 20 Geschosse waren nötig den Vampir zu vernichten. Immerhin muss ich meinen mehr martialisch orientierten Gefährten zugestehen, dass sie den Vampir hervorragend von mir abgelenkt haben. Bravo.
Ich war noch am überlegen, ob ich bei Adalbert gleich weitermachen sollte, er war offensichtlich infiziert und würde in nicht allzu ferner Zukunft über uns herfallen, als Jacques voller Hoffnung die Tränen ins Spiel brachte. Und tatsächlich, nachdem er Adalbert eine der Tränen verabreicht hatte, besserte sich sein Zustand umgehend. Ob es wirklich geholfen hatte, würden wir dann oben unter der Sonne genau sehen.
Alles wird gut, dachte ich gerade noch, als Adalbert laut über eine Konvertierung zum Druiden nachdachte. Nicht alles wird gut.
Wie alles begann: Der Aufbruch
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